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Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation erkranken jährlich rund 400 000 Kinder und Jugendliche an Krebs. In Ländern mit hohem Einkommen liegen die Überlebensraten bei bis zu 80 %.
Doch „in Litauen liegen die Überlebensraten 10-20 % unter dem europäischen Durchschnitt“, bemerkt Jelena Rascon, Koordinatorin des EU-finanzierten Projekts TREL. „Bei nur etwa 80 neuen Krebsfällen bei Kindern pro Jahr ist es schwierig, das klinische Fachwissen zu erschließen, das diese Kinder verdienen.“
Mangelnde Investitionen in die Infrastruktur der litauischen Onkologie haben auch dazu geführt, dass es nur wenige Forschende gibt und die Möglichkeiten des länderübergreifenden Wissensaustauschs eingeschränkt sind.
TREL hat, um diesen Trend umzukehren, 10 multidisziplinäre Teams (bestehend aus 32 Fachleuten) der Santaros-Kliniken der Universität Vilnius (VULSK, der Projektkoordinator) mit neun spezialisierten internationalen Forschungspartnern zusammengebracht.
„Damit konnten wir unsere Kapazität erhöhen, unsere eigene Forschung zu initiieren, klinische Studien durchzuführen und letztendlich Krebs effektiver zu behandeln“, sagt Rascon. „Die Partner haben zudem verdeutlicht, dass ihr eigenes Fachwissen von der Überprüfung unserer Fälle und den Erkenntnissen aus unseren Herausforderungen profitiert hat.“
Bessere Diagnosen stellen
Der Schwerpunkt von TREL lag auf soliden Krebstumoren – die in vielen Teilen des Körpers auftreten –, wobei die bei Kindern am häufigsten vorkommenden Tumoren ausgewählt wurden.
Die VULSK-Forschenden schlossen sich pädiatrischen Onkologie-Gruppen in Europa an, die sich mit pädiatrischen Hirntumoren (SIOP-BTG), Neuroblastomen (SIOPEN) und Nierentumoren (SIOP-RTSG) befassen. Neun Fachleute nahmen an verschiedenen Aktivitäten zum Wissenstransfer teil.
Nach einer Schulung zur Entnahme von Nierentumoren, für Biobanken und zur Interpretation von Biomarkern am Princess Máxima Center in den Niederlanden nehmen die VULSK-Fachkräfte nun an der internationalen SIOP UMBRELLA-Pädiatrie-Studie teil.
Darüber hinaus wurde ein VULSK-Forschender in Molekularbiologie an das Children’s Cancer Research Institute (CCRI) in Wien abgeordnet, um sich über Flüssigbiopsieverfahren, molekulare Diagnostik und Probenhandhabung zu informieren. So konnten die VULSK-Forschenden mit der Entnahme von Blut- und Knochenmarksproben von Neuroblastomen (Krebs, der sich in unreifen Nervenzellen entwickelt) beginnen, um Tumor-Biomarker nachzuweisen.
„Früher mussten wir die Serumproben unserer Neuroblastomerkrankten zur Analyse wegschicken, jetzt bauen wir eigene Kapazitäten aus“, bemerkt Renata Blackutė, VULSK-Projektleiterin.
Risikoprofilerstellung revolutionieren
Ein Hauptziel von TREL ist es, das erforderliche Bioinformatikfachwissen für die Gesamtgenomsequenzierung zu entwickeln, damit krebsanfällige Personen und Familien ermittelt und klinische Entscheidungen getroffen werden können.
Als Ergebnis von Partnerschaftsaktivitäten und einer Abordnung an das Rigshospitalet in Kopenhagen, Dänemark, erarbeitet das Team derzeit bioinformatische Standardarbeitsverfahren an der VULSK, während es gleichzeitig seine Sequenzierungskapazitäten weiter ausbaut.
„Während wir derzeit die Gesamtgenomsequenzierung nur in Forschungsstudien durchführen, führen wir für die Diagnostik die Gesamtexomsequenzierung durch, bei der die Protein-kodierenden Regionen von Genen sequenziert werden. Dabei wurden bereits seltene genetische Varianten bei unseren Patientinnen und Patienten entdeckt, und das länderübergreifende Fachwissen von TREL hat uns geholfen, ihr Risiko zu bewerten“, so Blackutė.
„Zusätzlich wurden asymptomatische gefährdete Verwandte getestet. Für Menschen, die Varianten aufweisen, wurden Kontrollempfehlungen gegeben“, fügt sie hinzu.
Das Team plant, die Gesamtgenomsequenzierung in naher Zukunft in der Diagnostik einzusetzen.
Unterdessen wurde eine in der Pathologie tätige Person aus Litauen an das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in Deutschland abgeordnet, um dort in modernen neuropathologischen Verfahren geschult zu werden, wie z. B. Methylierungs-Arrays, die Tumoren genetisch klassifizieren. Damit ist eine Vorhersage des wahrscheinlichen Ansprechens auf die Behandlung möglich.
„Bei an Krebs des Zentralnervensystems Erkrankten, die bei VULSK behandelt werden, werden die biopsierten Tumoren jetzt routinemäßig anhand dieser Verfahren untersucht, und wir planen, dies auch auf andere Tumorarten auszuweiten“, sagt Blackutė.
Auf dem Weg zu wirksameren Behandlungen
VULSK-Forschende für Pharmazie und Onkologie wurden ebenfalls an das Rigshospitalet abgeordnet, um an einer Schulung über Zytostatika für Kinder teilzunehmen, u. a. wie sie zu verabreichen sind, welche Einrichtungen erforderlich sind und welche Vorschriften gelten.
Das Team hat daraufhin Standardarbeitsanweisungen für die Verabreichung des Medikaments Busulfan eingeführt, die bereits in der klinischen Praxis eingesetzt werden und auch in den kommenden klinischen Studien Anwendung finden sollen. Bislang wurden fünf Vereinbarungen über die Durchführung von drei internationalen multizentrischen klinischen Studien und zwei Beobachtungsstudien unterzeichnet.
Darüber hinaus entwickelt VULSK, angeregt durch die Ergebnisse einer nationalen Erhebung und nach einer Schulung mit dem Princess Máxima Center, Fruchtbarkeitsbehandlungspläne, die den Einsatz von In-vitro-Technologien zur Retransplantation von krebsfreiem Eierstockgewebe bei Überlebenden von Krebserkrankungen vorsehen.
Bereits spürbare Vorteile
Die Ziele von TREL stimmen gut mit Europas Plan gegen den Krebs überein, insbesondere mit der Initiative „Hilfe für Kinder mit Krebs“, sowie mit den Zielen des wissenschaftlich fundierten Ansatzes zur Verringerung der Krebsbelastung und der Ungleichheiten in der EU der EU-Mission: Krebs, der im Rahmen der European Cancer Mission ausgearbeitet wurde.
Tatsächlich wurden bereits zwei „Survivorship Passports“ für Kinder ausgestellt, in denen ihr Versorgungsplan für die Zeit nach der Krebserkrankung dargelegt ist. Diese sind in mehreren Sprachen verfügbar und gewährleisten die Kontinuität der Versorgung über die Grenzen hinweg.
„Besonders positiv ist, dass 32 Kinder von der Expertise internationaler multidisziplinärer Teams profitieren konnten, woraus individuelle Behandlungsempfehlungen entstanden. Damit wurde das Vertrauen in die Qualität der von den litauischen Fachkräften geleisteten Gesundheitsversorgung wirklich gestärkt“, so Rascon abschließend.