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Research and Innovation

Online-Instrument für effektive Waldbewirtschaftungsstrategien

Am Waldboden ist ein Großteil der Biodiversität, also eine enorme Vielfalt an Pflanzen und weiteren Lebensformen anzutreffen. Viele Strategien für die Waldbewirtschaftung berücksichtigen dies jedoch nicht. Ein EU-finanziertes Projekt hat ein Online-Instrument entwickelt, das den Biodiversitätsverlust dort präzise erfasst und so hilft, Wälder für künftige europäische Generationen zu erhalten.

©AVTG #118161946, source: stock.adobe.com 2021

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Den Biodiversitätsverlust aufzuhalten ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Beispielsweise werden weltweit jedes Jahr etwa 10 Millionen Hektar Wald zerstört. Sie fallen hauptsächlich Landwirtschaft und Verstädterung zum Opfer. Die verbleibenden Wälder sind nach wie vor durch Umweltverschmutzung und Klimawandel bedroht.

„Ungefähr 16 % der Wälder unserer Erde liegen in milden, gemäßigten Klimazonen. Dazu gehören auch die Wälder in dicht besiedelten Regionen Europas“ erläutert Kris Verheyen, Leiter des Labors für Wald und Natur der Universität Gent in Belgien, der als Hauptforscher des EU-finanzierten Projekts UnderSCORE fungiert.

„Charakteristisch für Wälder gemäßigter Klimazonen ist der hohe Anteil an Laubbaumarten. Über 80 % der Pflanzenvielfalt in diesen Wäldern sind jedoch im Unterholz – also der Vegetationsschicht auf dem Waldboden – anzutreffen.“

Diese Schicht von Pflanzen erfüllt mehrere wesentliche Funktionen. Sie dient bestäubenden Insekten als Habitat, trägt zum Nährstoffkreislauf bei und fördert die Regeneration von Bäumen. Trotzdem kann es vorkommen, dass wichtige Interessengruppen, wie Politik, Forstwirtschaft, Wissenschaft und Akademie die ökologische Bedeutung des Unterholzes in bestimmten Situationen nicht wahrnehmen. Derzeit fehlt es an Instrumenten für die akkurate Modellierung und Prognose der Auswirkungen eines Biodiversitätsverlustes auf dieser Ebene, was einen Grund für die genannte Nichtbeachtung darstellt.

Fundierte Informationen für die Waldbewirtschaftung

Die Forschenden des vom Europäischen Forschungsrat unterstützen Projekts hatten sich vorgenommen, diese Wissenslücke zu schließen. Ausgangspunkt ihrer Bemühungen war eine Befragung. Dazu ließen sie 800 führenden Entscheidungsverantwortlichen in ganz Europa einen entsprechenden Fragebogen zukommen. Ziel der Befragung war es, genau zu ermitteln, welche Faktoren bei Entscheidungen zur Forstbewirtschaftung eine wesentliche Rolle spielen und inwieweit das Unterholz bei diesen Entscheidungen Berücksichtigung findet.

„Wir fragten auch nach der Art von Instrumenten, die Entscheidungsverantwortliche beim Auftreten von Unsicherheiten zu Rate ziehen“, so Haben Blondeel, Forscher im Labor für Wald und Natur der Universität Gent. „Wir waren besonders an Entscheidungsunterstützungssystemen interessiert.“

Bei Entscheidungsunterstützungssystemen handelt es sich um Software-basierte Instrumente, die Datenbanken, Modelle und nutzungsdefinierte Eingaben kombinieren. Auf dieser Grundlage treffen sie eine exakt an die jeweilige Situation angepasste Vorhersage, die einen Prozess der Entscheidungsfindung fördert. Das Projektteam stellte fest, dass im Kreis der Befragten Entscheidungsunterstützungssysteme für das Themengebiet Unterholz nicht bekannt waren. „Ohne solche dynamischen Instrumente tappen die Beteiligten bei der Erstellung einer Prognose zu künftigen Veränderungen bei der Pflanzendiversität in einem Wald völlig im Dunkeln“, fügt Blondeel an.

Daher nahm sich das Projektteam vor, einen funktionstüchtigen Prototyp eines webbasierten Systems für die Entscheidungsunterstützung (namens UnderSCORE) zu entwickeln. Entscheidungsverantwortliche können zur Bewältigung von Unsicherheiten in den Bereichen Waldschutz und Forstbewirtschaftung auf dieses System zurückgreifen. Unter Bezug auf eine breite Palette an Indikatoren – vom Grad der Stickstoffbelastung bis zur Dichte des Laubdachs des Waldes – wurde ein Datensatz ausgewertet, der aus etwa 4 000 Vegetationsüberwachungen in europäischen Wäldern gemäßigter Klimazonen gespeist worden war.

„Der Name ,UnderSCORE‘ betont, wie wichtig es ist, das kaum beachtete Unterholz in die Überlegungen mit einzubeziehen“, erklärt Mike Perring, Forscher im Labor für Wald und Natur der Universität Gent sowie am Zentrum für Ökologie und Hydrologie des Vereinigten Königreichs. „Er erlaubt auch Rückschlüsse auf das Projektergebnis – leicht zu interpretierende Werte für verschiedene Indikatoren. Nutzende können diese Werte im Rahmen unterschiedlicher umwelt- und bewirtschaftungstechnischer Kontexte vergleichen. Auch eine Gegenüberstellung von Werten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden, ist möglich.“

Gegenwärtig erlaubt der Prototyp des Entscheidungsfindungssystems einen Vergleich der Durchschnittstrends in verschiedenen Regionen Europas. Dies hilft der Forstwirtschaft dabei, den Gesundheitszustand der Vegetation im Unterholz zu ermitteln. „Wir möchten dieses Angebot durch Einbindung mathematischer prozessbasierter Modelle und zusätzlicher standortbezogener Umweltdaten noch ausbauen“, fügt Perring an.

Ein Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt

Der Prototyp des webbasierten Entscheidungsfindungssystems wurde im Dezember 2020 in Betrieb genommen und an die 800 Personen mit Affinität zur Thematik gesendet, die an der Befragung teilgenommen hatten. „Doch auch seitdem ist es um UnderSCORE nicht ruhig geworden“, bemerkt Verheyen. „Im Zuge einer vor Kurzem aufgenommen Promotion findet eine umfassende Analyse statt; hierbei werden die durch das Entscheidungsfindungssystem prognostizierten Szenarien unter die Lupe genommen. Die so gewonnenen Informationen bilden schließlich die Grundlage für eine Aktualisierung des Entscheidungsfindungssystems.“

Verheyen ist außerdem davon überzeugt, dass das Projekt dazu beigetragen hat, mehr Aufmerksamkeit auf das Unterholz zu lenken und zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, dieses bei Überlegungen zur Forstbewirtschaftung zu berücksichtigen. Als Muster für innovatives Planungswesen hat das Entscheidungsfindungssystem von UnderSCORE beispielsweise bereits Eingang in den Lehrplan verschiedener Hochschulen gefunden.

„Ein überraschendes Ergebnis unserer Umfrage war, dass Entscheidungsverantwortliche in ganz Europa sowohl der Biodiversität als auch der Regenerierung der Wälder und dem Klimawandel einstimmig eine hohe Priorität zuwiesen“, merkt Verheyen an. „Rein ökonomischen Zielen wie Holzqualität oder Ertragsmenge wurde eine neutrale Bedeutung zugemessen. Dies zeigt, dass die Entscheidungsverantwortlichen für den Bereich Forstwirtschaft nicht miteinander in einem Interessenskonflikt liegen, unabhängig davon, welches Land oder welchen Sektor sie vertreten. Dies bringt günstige Bedingungen für Bemühungen um den Erhalt der biologischen Vielfalt auf kontinentaler Ebene mit sich.“

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Einzelheiten zum Projekt

Kurztitel des Projekts
UnderSCORE
Projekt-Nr.
861957
Projektkoordinator: Belgien
Projektteilnehmer:
Belgien
Aufwand insgesamt
€ 150 000
EU-Beitrag
€ 150 000
Laufzeit
-

Siehe auch

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