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Forschende entdecken, dass Viren bei der Infektionsausbreitung gleichzeitig angreifen

Lange wurde vermutet, dass Viren sich als einzelne Partikel (Virionen) ausbreiten. Das EU-finanzierte Projekt Vis-a-Vis erforschte mittels Konzepten der sozialen Evolution, wie Viruspartikel bei der Übertragung wetteifern und zusammenarbeiten. Ein besseres Verständnis der Virus-Virus-Interaktionen ebnet den Weg für neue Behandlungsformen.

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Dass Viren als kollektive Infektionseinheiten agieren können, die mehrere Partikel an dieselbe Wirtszelle abgeben, ist bekannt. Die Mechanismen dahinter geben aber noch Rätsel auf.

Das EU-finanzierte Projekt Vis-a-Vis hat anhand der Theorie der sozialen Evolution untersucht, wie Viren bei der Übertragung und Replikation interagieren. Die Theorie der sozialen Evolution untersucht, wie Mikroorganismen durch Kooperation multizelluläre Verhaltensweisen, wie Biofilmbildung und Quorum Sensing, ausführen.

Dieser Rahmen wurde schon auf andere Mikroorganismen, einschließlich Bakterien, angewendet. Wir nutzten ihn aber mit als erste für die Virenforschung“, so Projektkoordinator Rafael Sanjuán.

Wie das Projekt zeigte, können Viruseinheiten zusammenarbeiten, wobei verschiedene genetische Varianten komplementäre Eigenschaften übertragen, oder Infektionen beschleunigen, indem sie mehrere Kopien eines Virusgenoms in dieselbe Zelle abgeben.

Diese Einheiten fördern aber auch das Auftreten von „Schummel-Viren“, die die kooperierenden Viren ausnutzen und so die Virus-Fitness beeinträchtigen.

Drei Viren

Das Vis-a-Vis-Team arbeitete mit drei Viren: einem vesikulären Stomatitisvirus (VSV), einem Enterovirus und einem Bakulovirus. Es war bereits bekannt, dass Bakuloviren in Okklusionskörpern zusammen übertragen werden. Doch die kollektive Übertragung der beiden anderen Virenarten war noch nicht erforscht.

Vor dem Projekt untersuchte das Team die genetische Variation in VSV und fand in unterschiedlichen Wirtszellen die gleichen Mutationsgruppen vor, was auf eine gemeinsame Übertragung hindeutet. Etwa zur gleichen Zeit entdeckten andere Forschende, dass Enteroviren als große, in Lipidvesikel gehüllte Virus-Pools übertragbar sind.

„Das weckte mein Interesse für die Gruppenübertragung und ihre Bedeutung für die Fitness und Evolution von Viren“, sagt Sanjuán von der Universität Valencia, der Gasteinrichtung des Projekts. „Durch die Vielfalt der Viren – ein Negativ-Strang-RNS-Virus, ein Positiv-Strang-RNS-Virus und ein großes DNS-Insektenvirus erhofften wir uns ein generalisiertes Verständnis.“

Um die Fitness der Viren zu messen, wurden fluoreszenzmarkierte Viren mittels quantitativer Echtzeit-Mikroskopie verfolgt. Mithilfe experimenteller Evolution wurde untersucht, wie sich die kollektive Übertragung nach mehreren Infektionszyklen auf die Fitness auswirkte. Durch massive Parallelsequenzierung und zielgerichtete Mutagenese wurden auch die Mutationen identifiziert, die für gewisse Merkmale verantwortlich sind, z. B. die Enterovirus-Übertragung in Vesikeln.

Vor- und Nachteile der Koinfektion

Laut den Ergebnissen heizt eine Koinfektion durch mehrere Virionen die frühzeitige VSV-Replikation an, sodass das Virus angeborene Immunantworten leichter umgehen kann und die Infektion stärker ist. Das Team machte dieselbe Feststellung bei vielen weiteren Viren (u. a. Adenoviren, Vacciniaviren, respiratorischen Synzytial-Viren) was nahe legt, dass die Virusreplikation ein kooperativer Vorgang ist.

„Die Koinfektion hat für Viren Vor- und Nachteile. Sie kann die Infektion beschleunigen und so die Fitness gegenüber konkurrierenden Viren und antiviralen Antworten verstärken, aber auch defekte, störende „Schummler“-Partikel produzieren. Da bei Schummlern die meisten Genome zerstört sind, können sie von allein keine Zellen infizieren. In Zellen, die mit einem funktionsfähigen Virus infiziert sind, können sie aber – zum Schaden dieses Virus – in Aktion treten“, so Sanjuán weiter.

Simulationen und Experimente des Teams zeigten, wie ein defektes Virus, das gegen die Interferonproduktion nicht ankommt, die Übertragungsfähigkeit umgebender Viren schädigen kann: es signalisiert dem Wirt eine Infektion, sodass nicht infizierte Zellen ihre Immunabwehr verstärken. Die Beeinträchtigung der Infektion hängt dabei von physikalischen Parametern wie der Viskosität des Übertragungsmediums, der Zellmotilität und der Viriongröße ab.

Im Einklang mit Hamiltons Regel zeigte sich zudem, dass kollektiv in Lipidvesikeln übertragene Pools von Enterovirus-Partikeln oft „Geschwister sind“, was die Entstehung von Schummler-Viren verhindern kann.

Evolutionssprung für die Virologie

Das Wissen darüber, wie Virus-Virus-Interaktionen die Virusübertragung und Virulenz beeinflussen, ebnet den Weg für neue virologische Ansätze.

„Neue Belege zeigen, dass sich Virionen der Variante Delta SARS-CoV-2 oft anhäufen. Das kann unserer Studie zufolge für die Virusinfektiosität von großer Bedeutung sein“, so Sanjuán. „Es macht uns stolz, dass unser Ansatz weitere Studien beflügelt hat, wie etwa dazu, ob Schummler-Partikel mit antiviraler Wirkung gegen Krankheitserreger wie Influenza oder COVID-19 synthetisch herstellbar wären.“

Im Rahmen eines zweiten EU-finanzierten Projekts EVADER untersucht das Team nun Eintrittsmechanismen von zoonotischen Viren. Nach ersten Ergebnissen könnten Virus-Virus-Interaktionen auch hier entscheidend sein.

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Einzelheiten zum Projekt

Kurztitel des Projekts
Vis-a-Vis
Projekt-Nr.
724519
Projektkoordinator: Spanien
Projektteilnehmer:
Spanien
Aufwand insgesamt
€ 1 969 821
EU-Beitrag
€ 1 969 821
Laufzeit
-

Siehe auch

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