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Krebs kann jeden Mensch treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Status. Die Erkrankung stellt eine enorme Belastung für Betroffene, Familien und die Gesellschaft im Allgemeinen dar. Für die EU-Mission „Krebs“ wurden klare und ehrgeizige Ziele festgelegt, um diese Trends umzukehren, indem Forschung und Innovation eingesetzt werden, um bessere Vorsorge- und Heilmethoden zu finden und so das Leben von mehr als 3 Millionen von Krebs betroffenen Menschen angenehmer zu gestalten.
Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, unsere Fähigkeit zu verbessern, die Bösartigkeit von Tumoren zu quantifizieren. Zu wissen, welche Tumore sich wahrscheinlich zu lebensbedrohlichen Krebsarten entwickeln, kann medizinischem Fachpersonal helfen, geeignete Behandlungspläne zu erstellen.
Nach Angaben von Pawel Swietach, Professor für Physiologie an der Universität Oxford, kann der Unterschied auf die Mikroumgebung des Tumors zurückzuführen sein, das komplexe Ökosystem aus Zellen, Molekülen und Blutgefäßen, das einen Tumor umgibt und unterstützt.
„Ob ein Tumor zu einer bösartigen Erkrankung führt, hängt davon ab, ob diese Mikroumgebung bestimmte Vorteile bietet, durch die Krebszellen normale Zellen verdrängen und sich letztlich der Immunüberwachung des Körpers entziehen können“, erklärt er. Ein solcher Faktor ist die Säureresistenz.
Ein Schmelztiegel für Krebserkrankungen
Eine saure Mikroumgebung ist ein wesentliches Merkmal von Krebs, wobei der pH-Wert durch eine Ansammlung von Stoffwechselabfallprodukten, die von sich schnell teilenden Zellen freigesetzt werden, gesenkt wird. Die meisten normalen Zellen gedeihen in saurem Milieu nicht, wodurch Krebszellen, die dieser rauen Umgebung standhalten, das aggressive Wachstum von Tumoren vorantreiben können.
„Die saure Mikroumgebung wurde vor einem Jahrhundert als erstes chemisches Merkmal von Tumoren beschrieben, aber sie wurde schnell als passives Endprodukt der Krebsaktivität angesehen und nicht als bedeutender Einfluss, der den Krankheitsverlauf bestimmt“, bemerkt Swietach.
Die Forschenden glauben nun, dass das Verständnis der Physiologie dieser Säureresistenz den Weg zu wirksameren Krebsbehandlungen ebnen könnte. „Wie Krebs sein saures Milieu erzeugt, wie ein solches Milieu ein bestimmtes Zellverhalten auslöst und was getan werden kann, um diese bösartige Entwicklung zu stoppen, sind Fragen, die die Krebsforschung schon lange beschäftigen“, fügt Swietach hinzu.
Mit Unterstützung des Projekts Survive haben Swietach und ein Forschungsteam Säureresistenz von Krebs genauer beleuchtet. Im Rahmen des Projekts Survive, das sich auf Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs konzentriert, wurden innovative neue Methoden zum Verständnis der zellulären Reaktionen auf Säure entwickelt. Dazu gehören verfeinerte Methoden zur Zellkultur, neue Tests zur Zellcharakterisierung und ein vollständigeres Modell der Anpassung und des Wachstums von Zellen in saurem Milieu.
„Mit unserem Ansatz können wir Zellen nach ihrer Säureempfindlichkeit stratifizieren, um ein besseres Verständnis der Krankheitsmechanismen zu erlangen, den Krankheitsverlauf zuverlässiger vorherzusagen und Hinweise zur Verbesserung des Ansprechens auf Medikamente zu geben“, kommentiert Swietach.
Neue Behandlungsziele
Das Projektteam konnte molekulare Anpassungen beschreiben, die einigen Zellen zu Säureresistenz verhelfen. Die Forschenden haben bestimmte Gene ermittelt, die für das Überleben der Azidose wichtig sind und die möglicherweise blockiert werden könnten, um aggressive Krebsarten zu schwächen.
Projektintern wurden außerdem Proteine bestimmt, die auf der Oberfläche von säureresistenten Zellen vorkommen und die von Krebsmedikamenten genutzt werden könnten. Nicht zuletzt boten die Studien von Survive neue Erkenntnisse darüber, wie Säure die Aktivität von Immunzellen blockiert, wie Zellen zusammenarbeiten, um das Wachstum zu stimulieren, und wie Säure mit anderen für Krebs entscheidenden Stoffwechselwegen interagiert.
Laut Swietach haben diese Ergebnisse weitreichende Auswirkungen. „Im Grunde sind alle Aspekte der Biologie säureempfindlich, wodurch die Regulierung des Säuregehalts – sei es bei Krebszellen oder in der Therapie – erhebliche Auswirkungen hat“, bemerkt er. Neben Krebs könnte die Projektarbeit auch anderen Bereichen der Medizin zugutekommen, etwa Herzerkrankungen. So kann unter anderem die Erforschung des Gastransports im Blut die Ergebnisse von Bluttransfusionen und Transplantationen verbessern.
„Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der Säuregehalt – und die Frage, wie er reguliert werden kann – in der Krebsdiagnostik und Therapieforschung eine zentrale Rolle spielt“, so Swietach abschließend.
Das Forschungsteam hat sich eine Anschlussfinanzierung für spezifische Projekte zu Bauchspeicheldrüsen- und Darmkrebs gesichert, die auf den Ergebnissen des Projekts Survive aufbauen. Das Team hat zudem damit begonnen, einige seiner Ergebnisse zu vermarkten, darunter Geräte zur Bewertung des Gastransports im Blut, die durch zwei Proof of Concept Grants des Europäischen Forschungsrats unterstützt werden.