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Die Wissenschaft tut sich schon ein Jahrhundert lang schwer damit, den größten ökologischen Forschungsgegenstand der Erde zu ergründen: die Ozeane. Eine Schwierigkeit bei diesen Untersuchungen ist, dass automatisch ein eigentlich landbasiertes Nahrungskettenkonzept, bei dem Pflanzen Tiere und deren Wachstum unterstützen, auf das Meer angewendet wird. Diesem Ansatz nach werden einzellige Mikroalgen von einzelligem Zooplankton gefressen, das wiederum mehrzelligem Plankton wie etwa Krill als Nahrung dient. Von Krill ernähren sich Quallen, die von Fischen, Meeresschildkröten oder Walen verschlungen werden – und so geht es immer weiter die Nahrungskette hinauf.
Tatsächlich stehen in den Nahrungsketten des Meeres jedoch einzellige Organismen an erster Stelle, die weder Pflanzen noch Tiere sind, sondern eine Mischung aus beiden. Bei diesem sogenannten mixotrophen Plankton handelt es sich um einzigartige Organismen, die wie Pflanzen Photosynthese betreiben und wie Tiere jagen.
„Wenn von Meereslebewesen die Rede ist, werden in den meisten Biologie- und Ökologielehrbüchern – und sogar in angesehenen Fernsehsendungen wie ‚Blue Planet‘ von der BBC – pflanzen- und tierähnliche Beschreibungen verwendet“, sagt Aditee Mitra, Forschungsstipendiatin am Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Universität Cardiff. „Wie wir inzwischen wissen, ist das eine grobe Vereinfachung, wenn nicht sogar eine fehlerhafte Art der Beschreibung. Die Meereswissenschaft hat die falschen Dinge in den falschen Organismen untersucht, und es ist an der Zeit, etwas dagegen zu tun.“
Genau hier setzt das EU-finanzierte Projekt MixITiN an. „Mit diesem Projekt, das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen gefördert wird, können wir ein innovatives Team junger Forschungskräfte darin schulen, das richtige Paradigma für mixtrophes Plankton anzuwenden. Das mixotrophe Plankton ist dabei sozusagen der Herr der Meere“, ergänzt sie.
Mit neuen Werkzeugen die Abläufe verstehen
Das Projekt MixITiN möchte im Wesentlichen die Rolle des mixotrophen Planktons im marinen Ökosystem ergründen. Deshalb hat das Forschungsteam verschiedene Feld-, Labor- und Computerexperimente durchgeführt. „Wie bei jedem neueren Zweig der Naturwissenschaften bestand die eigentliche Herausforderung darin, die erforderlichen Werkzeuge und Fertigkeiten zu entwickeln, mit denen wir die Abläufe in der Natur wirklich nachvollziehen können“, erläutert Mitra.
Die Umsetzung sei allerdings nicht so leicht gewesen. „Wir haben recht schnell erkannt, dass die jahrzehntelang verwendeten Forschungswerkzeuge zur Untersuchung von Meeressystemen innerhalb dieses neuen Paradigmas für mixotrophes Plankton nicht gut funktionieren“, merkt sie an.
Für das MixITiN-Forschungsteam hieß das, dass es seine Arbeit noch einmal neu aufrollen musste. „Wir führten eine gründliche Neubewertung sowohl der Feld- und Laborverfahren als auch der Modelle zur Untersuchung unserer Ozeane und zur Vorhersage der Auswirkungen des Klimawandels auf sie durch“, erklärt Mitra.
Auf der Grundlage dieser Bewertung entwickelt das Team Simulationsmodelle der nächsten Generation, die für Forschungen zur Wasserqualität und zum Klimawandel eingesetzt werden. Es hat zudem neue Verfahren zur Isolierung von mixotrophem Plankton aus der natürlichen Wasserumgebung erarbeitet, um eine genauere Untersuchung im Labor zu ermöglichen.
Die Vermittlung der Meeresökologie neu ausrichten
Diese neuen Methoden und Werkzeuge sind zweifellos wichtig, doch eine echte Neustrukturierung der Art und Weise, wie die Meere untersucht werden, muss im Unterricht beginnen. „Ein wesentlicher Bestandteil dieses Projekts waren Veränderungen bei der Vermittlung der Meeresökologie“, sagt Mitra. „Dafür mussten wir auf der untersten Ebene anfangen und uns von dort hinaufarbeiten.“
Diese Anstrengungen laufen weiter, wobei das Projekt die Früchte seiner bisherigen Arbeit bereits auf mehreren großen internationalen Konferenzen vorstellen konnte. Zudem erstellte das Team eine Reihe von Unterrichtsmaterialien für Sekundarschulen und den Hochschulbereich sowie einen detaillierten Leitfaden zur Pflege von mixotrophem Plankton für Laborexperimente.
„Unser einfaches Nahrungskettenmodell für mixotrophes Plankton ist bereits bis nach Indien und China für Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsmaßnahmen eingesetzt worden“, merkt Mitra an. „Und unser Forschungsleitfaden wird derzeit auch im EU-finanzierten Projekt MixoHUB angewendet, das teilweise vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert wird und auf den Ergebnissen von MixITiN aufbaut.“