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Das Transylvanian Institute of Neuroscience (TINS) wurde 2017 gegründet, um in Rumänien ein neurowissenschaftliches Zentrum von Weltrang entstehen zu lassen. Diese Vision zu verwirklichen, erforderte Fachwissen, Ressourcen und internationale Zusammenarbeit. Hier kommt NEUROTWIN ins Spiel , mit dem die Entwicklung der Neurowissenschaften in Osteuropa beschleunigt wurde.
„Eines unserer Hauptprobleme bestand darin, dass die neurowissenschaftliche Forschung sehr unterentwickelt war“, sagt Raul Muresan, Leiter der experimentellen und theoretischen Neurowissenschaften am TINS. „Zu Zeiten des Kommunismus war kognitive Hirnforschung in Rumänien sogar gesetzlich verboten. NEUROTWIN wurde aus der Notwendigkeit heraus geboren, diesen Bereich weiterzuentwickeln.“
Aufbau wissenschaftlicher Exzellenz
Damit die ehrgeizigen Ziele erreicht werden können, vereinte NEUROTWIN führende europäische neurowissenschaftliche Einrichtungen: das Ernst Strüngmann Institut in Deutschland, das Sainsbury Wellcome Centre am University College London (UCL) und das Imagine Institute in Frankreich.
Dadurch erhielten die rumänischen Forscherinnen und Forscher Zugang zu erstklassigen Einrichtungen und Ausbildungen, und sie konnten mit einigen der besten neurowissenschaftlichen Fachleute weltweit zusammenarbeiten. Wissenschaftlicher Nachwuchs wurde an diese Einrichtungen entsandt, um experimentelle Verfahren und Forschungsmethoden sowie die verwaltungstechnische Seite von Großprojekten zu erlernen.
Gleichzeitig konzentrierte sich das Team von NEUROTWIN darauf, den Bekanntheitsgrad der Neurowissenschaften in Rumänien zu erhöhen. Eine wichtige Initiative war die TINS-Seminarreihe für Neurowissenschaften, die ursprünglich als Präsenzveranstaltung in Transsylvanien geplant war. Als COVID-19 zuschlug, ging die Seminarreihe online und nahm unerwarteterweise Fahrt auf.
„Es ist uns gelungen, mithilfe unserer Seminarreihe eine globale Gemeinschaft aufzubauen“, fügt Muresan hinzu. „Ursprünglich wollten wir hochkarätige Vortragende nach Rumänien bringen, aber durch die Verlagerung ins Internet konnten wir mit Studierenden und Forschenden aus den Vereinigten Staaten, Asien und weiteren Ländern in Kontakt treten.“
Ein zusätzlicher Meilenstein war die Transylvanian Experimental Neuroscience Summer School (TENSS), ein praxisorientiertes Programm, das sich mit Unterstützung des NEUROTWIN-Teams zu einem der weltweit angesehensten Ausbildungsprogramme in den Neurowissenschaften entwickelte und jährlich Bewerberinnen und Bewerber aus über vierzig Ländern anzieht.
Erfolge ungeachtet aller Unwägbarkeiten
Bei NEUROTWIN ging es nicht nur um Forschung, sondern auch um Resilienz. Zuerst kam die Pandemie, die bei der Organisation dazu zwang, die Art und Weise zu überdenken, wie Ausbildung und Seminare durchgeführt werden. Dann, als die Dinge wieder ins Rollen kamen, löste die Invasion Russlands in der Ukraine in der Region Schockwellen aus.
„Wir sind etwa 150 km von der Grenze entfernt, und die Anmeldungen für unsere Sommerschule gingen stark zurück, als der Konflikt begann“, berichtet Muresan. „Die Menschen zögerten verständlicherweise, an einen Ort zu kommen, der dermaßen nahe an einem Kriegsgebiet liegt. Aber wir haben es geschafft, die Krise zu überwinden.“
Ungeachtet dieser Herausforderungen kam die Projektarbeit gut voran. Gegen Ende von NEUROTWIN war das TINS von einigen wenigen Beschäftigten im Jahr 2018 auf über fünfundzwanzig Forschende angewachsen, womit es sich seinen Platz als führendes neurowissenschaftliches Institut in Osteuropa sichert. Der Projekterfolg ermutigte auch führende Fachkräfte wie Professor Gabriel Balmus, nach Rumänien zurückzukehren und neue Forschungsgruppen bei TINS zu etablieren.
Vom Mikroskop zum Markt
Der Einfluss von NEUROTWIN erstreckt sich über den akademischen Bereich hinaus. Das Projektteam hat außerdem Innovationen wie die Entwicklung von Superlets hervorgebracht, einer neuartigen Signalverarbeitungsmethode, die ursprünglich für die Hirnforschung unter Ausnutzung von Gamma-Oszillationen konzipiert wurde. Ihre Anwendungen gehen weit über die Projektgrenzen hinaus und wurden inzwischen auf Gebiete wie die Quantenphysik ausgeweitet und kamen in Indien sogar zur Vorhersage von Stromleitungsausfällen zu Einsatz.
Als ein weiterer Durchbruch gilt eine Gehirn-Computer-Schnittstelle, die mittels nichtinvasiver EEG-Technologie entwickelt wurde. Dieses System, das inzwischen in den Vereinigten Staaten und Europa patentiert ist, führte zur Gründung von Intelimensa, einem Start-up-Unternehmen, das daran arbeitet, hirngesteuerte Spielvorrichtungen auf den Markt zu bringen.
Wie geht es weiter?
Die von NEUROTWIN ins Leben gerufenen Kooperationen und die dadurch in Gang gebrachte Forschung haben den Entwicklungsverlauf der Neurowissenschaften in Rumänien nachhaltig verändert.
„NEUROTWIN war viel mehr als nur eine Forschungsbeihilfe, es war eine transformative Erfahrung für uns“, fasst Muresan zusammen. „Das Projekt gab uns Sichtbarkeit und Unterstützung, um von einem kleinen Institut zu einem anerkannten Akteur in den europäischen Neurowissenschaften zu werden.“
Mit neuen Finanzierungsvorschlägen in der Pipeline und einem wachsenden Team von Forscherinnen und Forschern gilt das TINS jetzt als führend in der Neurowissenschaft in Osteuropa. Was in Rumänien einst ein eher übersehener Bereich war, steht heute als eine blühende Forschungsgemeinschaft da, die neue Maßstäbe in der Hirnforschung setzt.