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Research and Innovation

Wie soziale Medien Konflikte in Afrika anheizen können – und warum manche Gemeinschaften Internetabschaltungen begrüßen

Der Konflikt in der Region Tigray in Äthiopien hat seit 2018 mehr als 300 000 Menschen das Leben gekostet. Unternehmen aus dem Bereich der sozialen Medien wurden dafür kritisiert, dass sie es zulassen, dass sich Hetze im Internet verbreitet und damit möglicherweise diese Gewalt angeheizt wird. Das Team des EU-finanzierten Projekts ConflictNET, das der Erforschung der Rolle sozialer Medien in Konflikten in Afrika gewidmet war, beleuchtet die komplexen ethischen Fragen, die sich stellen, wenn abgelegene Gemeinschaften mit Internet versorgt werden.

©Win Nondakowit #567590236 | source: stock.adobe.com

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Afrika stellt für Technologieunternehmen einen wichtigen aufstrebenden Markt dar. Mehr als drei Viertel des Kontinents verfügen über keinen zuverlässigen Zugang zu Internetdiensten, was die Reichweite der Kommunikation einschränkt und die Bereitstellung von Finanz-, Medizin- und Regierungsdienstleistungen behindert.

„Wir beobachten in zunehmendem Maße, dass Technologieunternehmen wie Google und andere im Entwicklungsbereich sehr aktiv werden“, sagt Nicole Stremlau, Hauptforscherin des Projekts ConflictNET, die auch Leiterin des Programms für vergleichendes Medienrecht und -politik an der Universität Oxford im Vereinigten Königreich und Professorin für Recht und Gesellschaft in der digitalen Welt am dortigen Centre for Socio-Legal Studies ist. „Dabei geht es um biometrische Ausweise, um den Einsatz von KI zur Vorhersage von Krisen oder um die Bereitstellung von Cloud-Diensten für afrikanische Regierungen zur Speicherung aller Gesundheitsdaten.“

Während sich frühere Bemühungen um den Ausbau des Internetzugangs auf Stadtgebiete konzentrierten, kommen nun neue Technologien wie Drohnen und Satelliten zum Einsatz, um für die Bereitstellung eines erschwinglichen Zugangs in abgelegenen Regionen zu sorgen, in denen der Einfluss des Staates schwächer ist und wo es zu inneren Unruhen kommen kann.

Ohne ausreichende Bemühungen um Mäßigung kann sich Hetze leicht ausbreiten und gewaltsame Konflikte auslösen. 2021 veröffentlichte die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen interne Dokumente, aus denen hervorging, dass das Unternehmen von Problemen dieser Art bei Konten in äthiopischer Sprache wusste. Sie beschuldigte das Unternehmen, nicht gehandelt und zugelassen zu haben, dass sich die Situation verschlechterte, was tödliche Folgen hatte. „Wichtig an der Projektarbeit war, dass wir einen Beitrag zu dieser wirklich kritischen Debatte leisten konnten, die sich weltweit entfaltete“, fügt Stremlau hinzu.

Diese Themen sind nach wie vor aktuell: Mark Zuckerberg, Geschäftsführer von Meta, kündigte kürzlich an, dass das Unternehmen die Unterstützung von Faktenprüfungsprogrammen auf Facebook und Instagram einstellen werde. Angesichts der Grenzen der Faktenprüfung, die ConflictNET in Afrika bereits aufgedeckt hat, ist es wahrscheinlich, dass die im Rahmen des Projekts aufgeworfenen Herausforderungen und Bedenken in Zukunft noch an Bedeutung hinzugewinnen werden.

Online-Moderation

Das Team von ConflictNET ging der Frage nach, wie unter derartigen Umständen auf ethische Weise Konnektivität bereitgestellt werden kann. Stremlaus Team führte Hunderte Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern, Nichtregierungsorganisationen, Personal von Technologieunternehmen sowie Offiziellen aus Regierungen und Behörden in Ghana, Kenia und Südafrika, um die Auswirkungen der sozialen Medien in diesen Ländern abzuschätzen.

Eine zentrale Erkenntnis bestand darin, wie Machtungleichgewichte die Fähigkeit lokaler Behörden beeinträchtigen, wirkungsvoll auf Probleme im Internet wie zum Beispiel Desinformation und Hetze zu reagieren. Die Situation wirft Fragen zur Souveränität und Fähigkeit von Staaten auf, den Informationsfluss zu steuern und die nationale Sicherheit unter Kontrolle zu bringen. „Wenn ein afrikanisches Land einem Unternehmen im Silicon Valley gegenübersteht, welches das Einhundertfache seines Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, schenkt dieses Unternehmen den sehr realen und berechtigten Sorgen dieser Gemeinschaft keine Beachtung“, erläutert Stremlau.

Infolgedessen hat die Zahl der Internetabschaltungen in Afrika erheblich zugenommen, da die Regierungen nach den schnellsten und effektivsten Möglichkeiten suchen, um die Ausbreitung von Gewalt zu verhindern. Stremlau fügt hinzu, dass diese Abschaltungen noch beim Start von ConflictNET eine Seltenheit darstellten. Zum Ende des Projekts waren sie jedoch auf dem gesamten Kontinent und darüber hinaus zu einem bekannten Phänomen geworden.

Während Internetabschaltungen meist als drakonische Maßnahmen von Regimen dargestellt werden, könne es sein, wie Stremlau berichtet, dass sie von lokalen Gemeinschaften durchaus unterstützt werden, wobei sie einen konkreten Fall in Shashemene, Äthiopien, nennt. „Die Gemeinschaft verspürte eine gewisse Frustration über das, was sich im Internet verbreitete, und darüber, dass niemand in der Lage war, darauf differenzierter zu reagieren. Ich glaube, das liegt zum Teil an den großen Fehlern bei der Moderation von Online-Inhalten.“

In lokale Talente investieren

Ein Schlüsselelement von ConflictNET, merkt Stremlau an, sei die sinnvolle Zusammenarbeit mit lokalen Forscherinnen und Forschern gewesen, die noch lange nach Projektabschluss fortgesetzt wurde. „Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen der Universität Addis Abeba und der Universität Johannesburg zusammengearbeitet, und nun arbeiten sie mit uns in Oxford zusammen. Ich denke, wir haben wirklich dazu beigetragen, die beruflichen Karrieren vieler Forschender in Afrika aufzubauen und zu unterstützen.“

Stremlau und ihr Team haben ihre Erkenntnisse einer Reihe von Interessengruppen vorgestellt. Dazu zählten Studierende, Fachleute aus dem wissenschaftlichen Bereich, humanitäre Organisationen, die UN-Menschenrechtskommission, das Amt des Auswärtigen, des Commonwealth und der Entwicklung des Vereinigten Königreichs, Regierungsstellen, Nichtregierungsorganisationen und lokale Einrichtungen in ganz Afrika einschließlich Äthiopien, Kenia und Südafrika.

Im Rahmen des Projekts wurde auch das Social Media, Conflict and Migration Observatory an der Universität Oxford ins Leben gerufen, eine Plattform zur Entwicklung des öffentlichen und politischen Engagements zu kritischen Fragen im Zusammenhang mit sozialen Medien, Konflikten, Governance und Migration.

Seit dem Ende des Projekts, das in Form einer Finanzhilfe des Europäischen Forschungsrats von der EU finanziert wurde, hat Stremlau ihr Augenmerk auf die Erweiterung des Verständnisses der Hauptakteure gerichtet, die für die Gewährleistung von Recht, öffentlicher Ordnung, Gerechtigkeit und Sicherheit in humanitären Krisen verantwortlich sind, sowie auf die Rolle der Technologie in Bereichen, in denen der Staat nur über eine begrenzte Reichweite verfügt.

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Einzelheiten zum Projekt

Kurztitel des Projekts
ConflictNET
Projekt-Nr.
716686
Projektkoordinator: Vereinigtes Königreich
Projektteilnehmer:
Vereinigtes Königreich
Aufwand insgesamt
€ 1 499 450
EU-Beitrag
€ 1 499 450
Laufzeit
-

Siehe auch

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