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Warum Quantenzustände der Materie unerkennbar bleiben

Seit Jahrzehnten finden in der Physik Bemühungen statt, exotische Phasen der Materie zu bestimmen und zu klassifizieren. Nun hat das EU-finanzierte Projekt GAPS gezeigt, dass die Eigenschaften einiger Quantenzustände nicht vorhersagbar sind. Diese Erkenntnisse haben bereits zur Entdeckung einer neuen Materiephase geführt, die der Bevölkerung womöglich neue Materialien und Technologien bietet.

© peterschreiber.media # 448257975, 2023. Source: stock.adobe.com

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Die Mathematik mag das Alphabet sein, mit dem Gott das Universum geschrieben hat, aber das bedeutet nicht, dass sie perfekt ist.

„Nicht jede Aussage kann bewiesen oder widerlegt werden, auch nicht mithilfe von Mathematik“, sagt David Perez-Garcia, Mathematiker an der Universität Complutense in Madrid und Projektkoordinator von GAPS. Dieses Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat finanziert. „Tatsächlich wird es in jedem mathematischen System, das grundlegende Arithmetik erlaubt, immer Aussagen geben, die weder bewiesen noch widerlegt werden können.“

Zur Erklärung verweist Perez-Garcia auf die spektrale Lücke.

Als spektrale Lücke wird in der Physik die Energiemenge bezeichnet, die ein Quantensystem benötigt, um aus einem niedrigen Energiezustand in einen angeregten Zustand überzugehen. Laut Perez-Garcia könnte diese Lücke dazu beitragen, eine der größten Herausforderungen der Quantenphysik zu bewältigen – die Klassifizierung aller möglichen Materiephase.

„Wir kennen die drei klassischen Phasen der Materie, nämlich Festkörper, Flüssigkeiten und Gase“, erklärt Perez-Garcia. „Bei sehr niedrigen Temperaturen, bei denen die Quantenmechanik das Gesetz ist, das die Physik eines Systems bestimmt, gibt es jedoch deutlich mehr und viel exotischere Phasen der Materie.“

Beispiele für diese Quantenphasen der Materie sind Supraleiter, Suprafluide, topologische Spinflüssigkeiten und Fraktone, um nur einige zu nennen. „Trotz rund einem Jahrhundert Quantenmechanik sind wir noch weit davon entfernt, die vielen kontraintuitiven Materiephasen, die innerhalb des Quantensystems möglich sind, zu verstehen – oder überhaupt zu entdecken“, fügt Perez-Garcia hinzu.

Eine mathematisch unmögliche Mission

Da die spektrale Lücke die Quanteneigenschaften eines Systems schützt, können Quantenphasenübergänge nur stattfinden, wenn sich diese Lücke schließt. „Die Feststellung, ob ein Quantenmaterial eine spektrale Lücke aufweist oder nicht, bildet den Schlüssel zur Bestimmung der Grenzen und Übergänge zwischen verschiedenen Phasen der Materie“, bemerkt Perez-Garcia.

Über das EU-finanzierte Projekt GAPS wurde nachgewiesen, dass die spektrale Lücke selbst mit den anspruchsvollsten mathematischen Methoden nicht bestimmt werden kann. „Einige mathematische Fragen sind unentscheidbar, das heißt, sie sind weder wahr noch falsch – sie liegen einfach außerhalb der Reichweite der Mathematik“, sagt er.

Wie Perez-Garcia erklärt, hat das Projekt GAPS verdeutlicht, dass, selbst wenn man alle mikroskopischen Eigenschaften eines Materials kennt, die makroskopischen Eigenschaften (die wir mit unseren Augen beobachten und die die Phase des Systems bestimmen) in einigen Fällen nicht vorhergesagt werden können.

„Es geht nicht darum, dass es an präzisen Instrumenten mangelt oder dass die Computer nicht leistungsfähig genug sind“, stellt er fest. „Es geht darum, dass es physikalische Eigenschaften gibt, die wir einfach nicht berechnen können.“

Das Problem der Bestimmung der Materiephase eines beliebigen Quantenmaterials ist mit anderen Worten einfach unlösbar.

Bei allem Negativen gibt es auch Positives zu berichten

Aber es ist noch nicht alles verloren. Nach Meinung von Perez-Garcia hat dieses negative Ergebnis ein positives Gegenstück – es beweist die Existenz einer völlig neuen Materiephase.

„Die Eigenschaften dieser neuen vorausgesagten Materialien hängen stark von der Größe der Probe ab, was bedeutet, dass sich diese Eigenschaften bei einer bestimmten kritischen Größe drastisch ändern – einer Größe, die auf jeden gewünschten Wert eingestellt werden kann“, erklärt Perez-Garcia. „Wir arbeiten derzeit an einem Vorschlag, um diese Materialart in einer Laborumgebung zu synthetisieren, worauf wir sehr gespannt sind.“

Und selbst wenn es unmöglich ist, die Phase für jedes Quantensystem zu bestimmen, ist es dennoch denkbar, dass man alle möglichen Phasen der Quantenmaterie beschreiben kann. Laut Perez-Garcia scheinen Tensornetzwerke das richtige Werkzeug dafür zu bieten. „Als mathematische Repräsentationen eines Quantenzustands sind Tensornetzwerke flexibel genug, um alle relevanten Quantenzustände der Natur darzustellen“, fügt er hinzu.

Die Forschenden des Projekts GAPS haben eine mathematische Theorie der Tensornetzwerke ausgearbeitet, um eindimensionale Darstellungen jeder zweidimensionalen Quantenphase der Materie zu erstellen, wodurch sie viel leichter zu verstehen – und zu nutzen – sind. „Ein sehr hilfreiches und unerwartetes Ergebnis dieser Forschung ist die Verwendung von Tensornetzwerkmethoden, um die Datenschutzlücke zu schließen, die bei vielen Aufgaben des maschinellen Lernens auftritt“, so Perez-Garcia.

Eine vollständige Klassifizierung aller möglichen Quantenphasen der Materie ist jedoch nach wie vor nicht möglich. „Die Erstellung einer Art Periodensystem der Quantenphasen der Materie könnte zu einer Reihe neuer Materialien und Technologien führen“, lautet seine Schlussfolgerung. „Unsere Arbeit ist also noch nicht beendet.“

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Einzelheiten zum Projekt

Kurztitel des Projekts
GAPS
Projekt-Nr.
648913
Projektkoordinator: Spain
:
Aufwand insgesamt
€ 1 462 750
EU-Beitrag
€ 1 462 750
Laufzeit
-

Siehe auch

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