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Vernasca ist ein kleines Dorf in der Emilia-Romagna, Italien. Es ist vor allem für das atemberaubende Castello di Vigoleno bekannt, einem Überbleibsel aus der Römerzeit, aber es ist auch die Standort einer Industrieanlage, die jedes Jahr 1,3 Millionen Tonnen Zement produziert. Und hier wird an der Zukunft gearbeitet: Im Oktober 2020 hat das EU-finanzierte Projekt CLEANKER eine völlig neuartige Technologie namens Calcium-Looping in Betrieb genommen und hofft, den CO2-Ausstoß des Werks um 90 % zu senken.
„Unsere Technologie bietet mehrere Vorteile für bestehende Zementwerke“, sagt Martina Fantini, Koordinatorin von CLEANKER im Auftrag von LEAP – einem italienischen Labor, das sich auf hocheffiziente, umweltschonende Energietechnik spezialisiert hat.
„Erstens erfordert die Nachrüstung keine Änderungen am Drehrohrofen der Anlage, der die wichtigste Komponente in jedem Zementwerk ist. Zum anderen handelt es sich bei dem am Ende des CO2-Abscheidungsprozesses produzierten Sorptionsmittel um dasselbe Rohmaterial, das für die Klinkerproduktion verwendet wird (Klinker ist der Hauptbestandteil der meisten Zementarten). Und letztendlich gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die durch den CO2-Abscheidungsprozess entstehende Wärme zu nutzen.“
Wie der Name schon sagt, funktioniert das Calcium-Looping im Wesentlichen in Form eines Kreislaufs sich wiederholender Schritte. Das bei der Klinkerproduktion entstehende CO2 wird mittels der so genannten Karbonisierungsreaktion aus den Rauchgasen abgetrennt. Dabei wird CO2 mit festem Kalziumoxid (CaO) zu festem Kalziumkarbonat (CaCO3) gebunden. Anschließend durchläuft das entstandene Sorptionsmittel den Prozess der Kalzinierung, der so ungefähr das Gegenteil der Karbonisierung ist: CaCO3 wird in CaO und gasförmiges CO2 gespalten.
Der konzentrierte Strom von CO2 kann an geeigneten geologischen Standorten gelagert oder als Rohstoff für die Synthese von Grundchemikalien oder Brennstoffen verwendet werden, während erstere wieder zur Verfügung stehen, um den Zyklus von Zementproduktion und CO2-Abscheidung fortzusetzen.
Der Hauptunterschied zwischen CLEANKER und anderen Versuchen, CO2 an Zementproduktionsstätten abzuscheiden besteht darin, dass der Prozess während der Verbrennung und nicht erst im Anschluss daran stattfindet. „Obwohl es weniger modern ist, hat CLEANKER das Potenzial, eine hohe CO2-Abscheidung mit einem geringen Energieaufwand und geringen wirtschaftlichen Auswirkungen zu erreichen. Dies ist der Verwendung von konventionellem Rohmehl als CO2-Sorptionsmittel und der starken thermischen Integration zu verdanken, die den Brennstoffverbrauch deutlich reduziert“, erklärt Fantini.
Fortlaufende Versuche
Die Versuche im Zementwerk von Buzzi Unicem basieren auf der Verarbeitung von 1 % der Ofenabgase. Damit soll das Konzept bewiesen und die Entwicklung einer präzisen technisch-wirtschaftlichen Bewertungsmethode ermöglicht werden, die es LEAP letztlich ermöglichen wird, die Technologie in großem Maßstab zu nutzen. Das Calcium-Looping besitzt derzeit den Technologie-Reifegrad 7, aber Fantini ist überzeugt, dass – sobald die Kapazität des Sorptionsmittels verifiziert, die wichtigsten Regelparameter fein abgestimmt und die Wärmerückgewinnung optimiert ist – die Technologie für eine Höherstufung auf Technologie-Reifegrad 8-9 bereit sein wird.
Die Ergebnisse dieser Versuche werden zwar erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt sein, doch ist bei allen bisher durchgeführten Simulationen davon auszugehen, dass die Abscheidungseffizienz bei nahezu 90 % liegen wird.
Eine erfolgreiche Calcium-Looping-Technologie wird der Schlüssel für die Nachrüstung von Zementwerken für die CO2-Abscheidung sein, was wiederum entscheidend ist, um die EU-Emissionsziele kurz- bis mittelfristig zu erreichen. Die meisten Zementwerke in Europa stammen noch aus den 1980er Jahren und werden wahrscheinlich nicht vor 2050 erneuert werden. Fantini schließt: „CLEANKER sollte in der Lage sein, seine Technologie in etwa drei Jahren in vollem Umfang nachzurüsten.“