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Unterkühlt und dicht: Warum Wasser sich so seltsam verhält

Bei niedriger Temperatur und hohem Druck verhält sich Wasser anormal – es wird zu zwei Flüssigkeiten gleichzeitig. Das EU-finanzierte Projekt WATER hat das Verhalten von Wasser in dieser Übergangszone mit neuen Röntgenlasern erforscht. Nicht nur für bessere Brennstoffzellen und Entsalzungstechnik könnte das eine Rolle spielen, sondern auch für die Suche nach Leben auf anderen Planeten.

©Denis Tabler #58245036, source: stock.adobe.com 2022

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Wasser ist ein seltsamer Stoff. Die meisten Materialien werden bei Kälte kleiner und dichter, Wasser aber erreicht bei 4 °C seine höchste Dichte und dehnt sich aus, je näher es dem Gefrierpunkt kommt.

Wenn das nicht so wäre, würde Eis nicht auf dem Wasser schwimmen und die Ozeane würden vom Grund aufwärts zufrieren, sodass das Leben auf der Erde quasi unmöglich wäre.

Warum Wasser sich so verhält ist eine grundlegende Frage der Chemie, die seit langer Zeit erforscht und diskutiert wird. Doch trotz verschiedener Hypothesen, gab es dazu bisher kaum aufschlussreiche experimentelle Untersuchungen.

Bei niedrigen Temperaturen und hohem Druck wird die Andersartigkeit des Wassers besonders deutlich. Das EU-finanzierte und vom Europäischen Forschungsrat unterstützte Projekt WATER konnte jetzt erstmals das molekulare Verhalten des Wassers im Moment vor dem Gefrieren nachvollziehen.

Zum ersten Mal überhaupt kamen bei dieser Art von Experiment Röntgenlaser zum Einsatz. „Die meisten waren der Meinung, dass ein Experiment, das den Phasenübergang von flüssig zu flüssig zeigen soll, zu kompliziert wäre. Aber mit unseren Röntgenlaserstrahlen, die wir im Rhythmus von Nano- bis zu Millisekunden haben pulsieren lassen, haben wir das geschafft“, so Projektkoordinator Anders Nilsson.

Der kritische Punkt im Flüssig-flüssig-Übergang

Der Flüssig-flüssig-Übergang beschreibt den Punkt, an dem sich eine Flüssigkeit in eine andere umwandelt, dabei aber dieselben chemischen Bestandteile behält. Dieser Prozess wird Phasenübergang genannt. Das Forschungsteam von WATER wollte den Flüssig-flüssig-Übergang von Wasser genau in dem bisher kaum erforschten „Niemandsland“ von niedrigen Temperaturen und hohem Druck untersuchen.

Es konnte bereits zeigen, dass Wasser bei normalem Luftdruck nur eine Phase hat. Aber dabei wurde auch klar, dass bei sinkenden Temperaturen und steigendem Druck zwei Phasen bestehen. Besonders interessant war daher ein möglicherweise vorhandener kritischer Punkt zwischen diesen beiden Bereichen.

„An diesem kritischen Punkt steckt das Wasser zwischen einem Bereich mit nur einer Phase und einem mit zwei Phasen und es verhält sich so, als ob es sich nicht entscheiden könnte, welche der beiden Flüssigkeiten es sein will – eine Flüssigkeit mit hoher oder mit niedriger Dichte. Also wechselt es ständig zwischen den beiden hin und her“, ergänzt Nilsson.

Superschnelle Röntgenlaser

Die Charakterisierung dieses Flüssig-flüssig-Übergangs ist besonders schwierig, denn wenn Wasser von -35 auf -70 °C unterkühlt wird, bildet sich so schnell Eis, dass Standardinstrumente in Experimenten die Fluktuationen entlang der Eisgrenze nicht schnell genug aufzeichnen können. Um das auszugleichen, ließ das Team den Druck in kürzerer Zeit abfallen als der Gefrierprozess dauerte. So konnten sie den druckbasierten Flüssig-flüssig-Übergang beobachten.

Um das Phänomen aufzuzeichnen, nutzte das Team einen ultraschnellen Röntgenlaser vom Pohang Accelerator Laboratory in Südkorea, der die Proben mit Röntgenimpulsen in Intervallen von Billiardstel Sekunden bestrahlen kann.

„Röntgenstrahlen haben zwar Lichtgeschwindigkeit, doch wenn die elektromagnetische Strahlung besonders intensiv ist, kann sie die Proben zerstören, bevor irgendetwas aufgezeichnet werden kann. Unser Röntgenlaserstrahl ist so schnell, dass er das gewünschte Signal auffängt, bevor die Probe zerbricht“, erklärt Nilsson.

Aus den Messwerten der Experimente wurde ein Diagramm erstellt, das das Verhältnis von Temperatur zu Druck wiedergibt. Es enthält auch die Widom-Linie, also jene Linie, die die Übergangszone des Wassers darstellt, in der es sich mal wie eine Flüssigkeit und mal wie zwei Flüssigkeiten verhält.

„Ich gehe davon aus, dass der kritische Punkt nicht bei so hohen Drücken liegt, wie man bisher glaubte, also nicht bei 2 000 bar, sondern eher um die 300 bis 500 bar“, so Nilsson. „Das würde Ansätze für Erklärungen einiger Phänomene auf unserem Planeten liefern, wie beispielsweise für die Evolution von Meereslebewesen. Das Wasser am Meeresgrund hat typischerweise um die 4 °C und damit dank des kritischen Punkts seine höchste Dichte. Wird es kälter, nimmt seine Dichte ab und es steigt auf. Es entsteht die Zirkulation, die lebenswichtige Wärme und Nährstoffe verteilt.“

Ohne Wasser kein Leben

WATER ist zwar ein Projekt der Grundlagenforschung, doch seine Ergebnisse könnten einige praktische Anwendungsmöglichkeiten bieten. Nilsson führt dazu aus: „Ursprünglich hatten wir uns das Wasser als Ganzes angesehen, jetzt wollen wir aber verstehen, wie sich das Wasser in Poren, an Grenzflächen und in Biomolekülen verändert. Das ist nämlich für eine große Bandbreite von Branchen und Anwendungen interessant.“

Die steigenden globalen Temperaturen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Dürrephasen in Südeuropa verursachen. Wenn also klarer wäre, wie sich das Wasser in den Membranen von Entsalzungsfiltern verhält, könnte man für eine größere Menge an sauberem Wasser sorgen.

Viele Energietechnologien, wie Brennstoffzellen, Wasserspaltung zur Gewinnung von Wasserstoff oder künstliche Photosynthese nutzen Grenzflächen von Wasser und Feststoffen, wobei der Einfluss der Wasserfluktuationen noch unklar ist.

Eine gesundheitsbezogene Frage, die man erforschen könnte, wäre die Rolle des Wassers im Inneren von Zellen, wo es wahrscheinlich für lebenswichtige Prozesse notwendig ist. „Aufbauend auf unseren Erkenntnissen könnten Forschungsvorhaben zu der Frage entstehen, inwiefern das fluktuierende Verhalten von Wasser die Kommunikation zwischen Biomolekülen erst ermöglicht. Denn wenn das so sein sollte, ist es bisher nicht bekannt“, so Nilsson abschließend.

Aktuell versucht das Team, die durch die COVID-Pandemie verursachten Verzögerungen herauszuarbeiten und direkt den kritischen Punkt zu beobachten.

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Einzelheiten zum Projekt

Kurztitel des Projekts
Water
Projekt-Nr.
667205
Projektteilnehmer:
Schweden
Aufwand insgesamt
€ 2 486 951
EU-Beitrag
€ 2 486 951
Laufzeit
-

Siehe auch

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