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In Europa wird die Wärme für städtische Gebiete heute häufig in zentralen Anlagen erzeugt und über isolierte Leitungen verteilt. Dieses Konzept besteht zwar schon seit Jahrzehnten, doch haben wirtschaftliche und ökologische Erwägungen die Aufmerksamkeit zunehmend auf eine höhere Nachhaltigkeit und Effizienz dieser Praxis gelenkt.
„Fernwärmenetze sind nichts Neues“, erklärt Antonio Garrido Marijuan, Projektforscher bei RELaTED, der bei Tecnalia in Spanien tätig ist. „Jedoch sind wir uns der Notwendigkeit bewusst geworden, keine Energie mehr zu verschwenden. So muss beispielsweise die Temperatur, bei der die Wärme abgegeben wird, gesenkt werden, um Wärmeverluste zu vermeiden.“
Außerdem wächst das Bewusstsein dafür, dass die Fernwärmenetze verstärkt erneuerbare Energien und Abwärmequellen nutzen könnten. Dadurch könnten die Energieeffizienz verbessert, die Verbrauchskosten gesenkt und gleichzeitig die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen verringert werden.
Tiefsttemperatur-Wärmenetze erstellen
RELaTED hat sich zum Ziel gesetzt, neuartige technische Lösungen zu entwickeln und zu erproben, mit denen sich diese Ziele erreichen lassen, indem die Netze bei ultratiefen Temperaturen von 40 bis 45 Grad Celsius betrieben werden. Eine der größeren Schwierigkeiten des Projekts war die Integration verschiedener Technologien, um die erwarteten Vorteile zu erzielen.
Garrido Marijuan erläutert: „Wenn man Wärme mit 40 Grad statt mit 60 Grad oder gar 100 Grad für den Verbrauch bereitstellen will, muss man Wärmepumpen einsetzen, um die Temperatur bei Bedarf wieder zu erhöhen.“ „Und wegen der steigenden Außentemperaturen mussten wir außerdem dafür sorgen, dass die Wärmepumpen auch zum Kühlen eingesetzt werden könnten.“
Im Rahmen des Projekts wurden zudem Prototypen von Umspannwerken für Fernwärmenetze konzipiert, die bidirektional fungieren. Das bedeutet, dass z. B. Fabriken, die Abwärme erzeugen, überschüssige Energie in das Netz einspeisen können und im Gegenzug Energie erhalten, wenn sie benötigt wird.
Die für dieses Tiefsttemperatur-Fernwärmenetz erarbeiteten Konzepte wurden dann an vier Standorten getestet. Dazu gehörten ein großes Netz in Belgrad (Serbien), ein neues Stadtgebiet in Vinge (Dänemark), ein Betriebsnetz in Tartu (Estland) und ein Unternehmensnetz in Iurreta (Spanien).
Direkte Energieeinsparungen bei Verringerung der Wärmeverluste
Garrido Marijuan ist der Ansicht, dass das Projekt erfolgreich nachgewiesen hat, dass die Fernwärmenetze tatsächlich zu nachhaltigeren und energieeffizienteren Betriebsmodellen übergehen können. Die Pilotprojekte führten zu direkten Energieeinsparungen durch die Verringerung von Wärmeverlusten, während die Einspeisung von Abwärme in das Netz den Unternehmen eine Einnahmequelle und den Verbraucherinnen und Verbrauchern zusätzliche Wärme verschaffte.
Der Fernwärmenetzbetreiber in Estland stellte fest, dass sich die Investitionen in die Aufrüstung des Netzes in nur zwei Jahren amortisiert hatten. Durch Temperatursenkungen konnten in Tartu Wärmeeinsparungen in der Größenordnung von 400 MWh/Jahr erzielt werden, was sich in einer Verringerung der Wärmeverluste um 20 % niederschlägt.
Der Betreiber plant, die Technologie in seinem gesamten Netz einzuführen, und einige andere regionale Verwaltungen und große Fabriken sind in Gesprächen mit dem Netzbetreiber, um neue, energieeffiziente Netzpläne für Fernwärme zu erstellen.
„Solche Energieeinsparungen sind von entscheidender Bedeutung, da etwa 40 % des Energieverbrauchs in Europa auf Gebäude entfallen – und ein großer Teil davon auf die Heizung“, fügt er hinzu. „Niedrigere Betriebstemperaturen und bidirektionale Ströme könnten neben der Verringerung der Wärmeverluste auch eine massive Nutzung von erneuerbaren Energien und Abwärmequellen fördern.“
Die Tiefsttemperatur-Fernwärmenetze der nächsten Generation, die im Rahmen des Projekts RELaTED entwickelt wurden, könnten daher ein wichtiger Bestandteil des grünen Wandels in Europa sein. Wenn diese Technologie in großem Maßstab in ganz Europa angewandt wird, könnten erhebliche Energieeinsparungen erzielt werden.
„Dieses Projekt bedeutet nur einen kleinen Schritt nach vorn, aber es geht in die Richtung, die wir bei Fernwärmesystemen einschlagen müssen“, schließt Garrido Marijuan. „Um Energie zu sparen, muss die Betriebstemperatur der Fernwärmenetze niedriger sein. Und wir haben gezeigt, wie ein Teil der Lösung dafür aussehen könnte.“