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Offiziell ist Lydéric Bocquet Experte für Nanofluidik am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung und an der École Normale Supérieure in Paris. Aber wenn Sie ihn fragen, hat er eine prosaischere Berufsbezeichnung parat.
„Im Endeffekt bin ich ein Klempner des unendlich Kleinen“, sagt er, „ich beobachte sorgfältig, wie Fluide durch die kleinsten vorstellbaren Kanäle fließen.“
Die Nanofluidik ist der Grenzbereich, in dem das Kontinuum der Strömungsmechanik auf die diskrete atomare Beschaffenheit der Materie trifft. „In der Nanofluidik erforschen wir das Verhalten, die Manipulation und die Steuerung von Fluiden, die auf Strukturen von typischerweise ein bis einhundert Nanometern Größe begrenzt sind“, erklärt Bocquet.
Das ist hundertmal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Eingeschlossen in derart winzige Strukturen neigen Fluide dazu, sich anders zu verhalten, und sie können sogar neue Eigenschaften aufweisen, was das Interesse von Forschenden wie Bocquet weckt.
Nanofluidik ist auch in der Natur zu finden, auch in unserem eigenen Körper. Bocquet dazu weiter: „Vom Filtersystem unserer Nieren bis hin zu den Neuronen und Synapsen unseres Gehirns: Überall finden sich Beispiele für Nanofluidik.“
Laut Bocquet bildet das Verständnis der Abläufe in der Nanofluidik den Schlüssel dazu, sie für künstliche Anwendungen reproduzieren zu können, worin das Ziel des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts SHADOKS besteht. Das von Bocquet geleitete Projektteam bemüht sich nicht nur darum, unser Verständnis der Nanofluidik zu verbessern, sondern wird dieses neu erworbene Wissen auch zum Bau von ionischen Maschinen nutzen.
Effizient mit zwei Bananen am Tag
Ionische Maschinen sind im Wesentlichen künstliche Vorrichtungen, die ähnlich wie das menschliche Gehirn funktionieren. Dieses früher nur in der Science-Fiction-Literatur auftauchende Konzept wird allmählich Realität.
Wie Bocquet erklärt, soll mit Nanofluidik-Computing die unglaubliche Energieeffizienz des Gehirns in Bezug auf die Informationsverarbeitung nachgeahmt werden. Mit seinen Milliarden Neuronen, die über Billionen Synapsen miteinander verbunden sind, optimiert das Gehirn die Informationsströme, wobei es das aufwendige und ständige Hin- und Herschieben von Daten zwischen Prozessor und Speicher vermeidet, das ein Kennzeichen der klassischen Computerarchitektur ist.
„Das Gehirn ist ein Supercomputer, der mit nur zwei Bananen täglich betrieben werden kann und damit viel effizienter als jeder Computer arbeitet“, fügt Bocquet hinzu.
Zielvorgabe des Projekts SHADOKS war die Entwicklung grundlegender Computerbausteine, die auf nanofluidischen Prinzipien beruhen. Die Forschenden haben eine ionische Maschine entwickelt, mit der der effiziente Informationsfluss des Gehirns nachgeahmt werden kann, indem Ionen zum Einsatz kommen, die sich durch Fluide bewegen und Informationen transportieren und speichern.
„Es ist nur der erste Baustein des Gebäudes, aber ein solches Nanofluidik-Computing verspricht einen geringeren Energieverbrauch, Plastizität auf Hardwareebene und mehrere Informationsträger“, merkt Bocquet an.
Ein Kuriositätenkabinett der Nanofluidik
Während der Arbeit an der ionischen Maschine machten Bocquet und sein Team außerdem einige andere wichtige Entdeckungen, die er als ein „Kuriositätenkabinett der Nanofluidik“ bezeichnet.
Eine dieser Erkenntnisse betrifft die Art und Weise, wie Wasser innerhalb von Nanokanälen auf Kohlenstoffbasis fließt, wie es zum Beispiel in den bei Sportgeräten, Körperpanzern und Fahrzeugen eingesetzten Kohlenstoffnanoröhren der Fall ist. „Seit langem wird vermutet, dass in einer Kohlenstoffnanoröhre eingeschlossenes Wasser bis zu 10 000 Mal schneller als in einem nicht eingeschlossenen Raum fließt“, fügt Bocquet hinzu.
In früheren Experimenten hatte Bocquet nachgewiesen, dass sich die Reibung des Wassers entlang einer Nanoröhrenwand abnormal verhält. Im Verlauf der Arbeit am SHADOKS-Projekt waren er und sein Team zu guter Letzt in der Lage zu erklären, warum das so ist. „Es stellte sich heraus, dass die Antwort in einem unkonventionellen Quantenreibungseffekt begründet liegt, der eine einzigartige Eigenschaft von Kohlenstoffnanoröhren ist“, erklärt Bocquet.
Laut Bocquet eröffnet diese Verbindung zwischen Hydrodynamik und Quantenphysik eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, wozu auch die Kopplung des Wassertransports mit dem Elektronentransport zählt.
Die Süßwasserschleusen öffnen
Ein weiteres Thema in Bocquets Kabinett ist der Einsatz der Nanofluidik zur Entsalzung und Wasserfiltration. „Da die von uns vorgeschlagene Lösung mit elektrischen Feldern statt mit Druck arbeitet, lässt sie sich leicht dimensionieren und birgt somit das Potenzial, den Zugang der Welt zu Süßwasser erheblich zu verbessern“, erläutert er.
Für das neue, auf Nanofluidik beruhende Filtrations-/Entsalzungssystem wurden mehrere Patente angemeldet, und Bocquet beabsichtigt, ein Start-up-Unternehmen zu gründen, um das Konzept in Richtung Kommerzialisierung voranzutreiben.
Laut Bocquet stellt diese Entwicklung zusammen mit seiner Arbeit an den ionischen Maschinen und in anderen Forschungsbereichen einen Beweis dafür dar, dass das SHADOKS-Projektteam im Kontext der Nanofluidik ein neues Paradigma geschaffen hat. „Ich bin überzeugt, dass die aus diesem Projekt hervorgegangene wegweisende Wissenschaft in den kommenden Jahren zu bahnbrechenden Innovationen führen wird“, schließt er.