Skip to main content
European Commission logo

Quantenspuk materialisiert sich in der Makrowelt

Die Physik geht schon lange der Frage nach, ob die Gesetze der Quantenmechanik auch für die „klassische“ Welt gelten. Das EU-finanzierte Projekt wies nun die Quantenverschränkung zwischen Objekten im Makrobereich nach. Die Nutzung des Quantenverhaltens von Alltagsgegenständen könnte uns vom digitalen in das Quantenzeitalter führen und unser Leben durch weit ausgefeiltere Technologien erleichtern.

© sakkmesterke #289463455, source: stock.adobe.com 2021

PDF Basket

Kein Artikel ausgewählt

In traditioneller Hinsicht beschreibt die Quantenmechanik das Verhalten von Elementarteilchen, Atomen und Molekülen. Es ist jedoch kein Grund bekannt, warum größere Objekte im Bereich der klassischen Mechanik nicht den gleichen Regeln folgen.

Das würde bedeuten, dass diese Objekte das gleiche „spukhafte“ Quantenverhalten zeigen könnten, um es mit Einsteins Worten auszudrücken. Dazu gehört unter anderem die Verschränkung, bei der zwei voneinander entfernte Objekte in einer Weise miteinander verflochten werden, die der klassischen Physik und unserem herkömmlichen Verständnis der Realität entgegensteht.

„Die archetypischsten klassischen Systeme in der Physik sind ‚bewegte massereiche Objekte‘. Sie sind der ideale Ausgangspunkt, um in der makroskopischen Welt nach Quantenpotenzialen zu suchen“, so Mika Sillanpää, Koordinator des EU-finanzierten Projekts CAVITYQPD, das vom Europäischen Forschungsratunterstützt wird. „Obwohl dies ein seit Langem verfolgtes Ziel war, haben die Schwierigkeiten bei der Durchführung der Experimente erhebliche Hindernisse dargestellt.“

Mithilfe speziell entwickelter Techniken, die empfindliche Quantenmessungen ermöglichen, hat das Team zusammen mit einer anderen Gruppe erstmals gezeigt, dass kleine mechanische Resonatoren – die einen Durchmesser von nur 15 Mikrometern haben, aber auf atomarer Ebene massereich sind – in einen verschränkten Quantenzustand versetzt werden können.

„Die Verschränkung ist extrem empfindlich und wurde bislang hauptsächlich in mikroskopischen Systemen wie Licht oder Atomen und neuerdings auch in supraleitenden Stromkreisen beobachtet“, erläutert Sillanpää von der Aalto-Universität, dem Projektträger.

Quantenbeziehungen in der klassischen Welt

Im Projekt CAVITYQPD stellten mikromechanische Resonatoren, in diesem Fall winzige vibrierende Trommelfelle aus metallischem Aluminium auf einem Siliziumchip, bewegte massereiche Objekte dar. Die Bewegung dieser Objekte verhält sich typischerweise nach den Regeln der klassischen Physik; der Zustand eines Objekts, wie zum Beispiel eines Pendels, lässt dessen Bewegung in Raum und Zeit vorhersehbar werden.

„Die moderne Gesellschaft ist auf mikromechanische Resonatoren angewiesen, denn diese sind in unserer gesamten Elektronik zu finden, wo ihre zuverlässigen, vorhersehbaren und präzisen Schwingungen als ‚Taktgeber‘ für Prozessoren dienen“, ergänzt Sillanpää.

Im Rahmen des Projekts sollte untersucht werden, ob die Verschränkung zwischen zwei mikromechanischen Resonatoren auf die gleiche Weise wie zwischen atomaren Systemen induziert und nachgewiesen werden kann.

Es gibt zwar viele verschiedene Arten mikromechanischer Resonatoren, doch CAVITYQPD hat seine eigenen Versionen entwickelt und unter Reinraumbedingungen Tests der Konstruktionen durchgeführt, die durch Computersimulationen ergänzt wurden.

Herbeigeführt wurde die Verschränkung durch Platzieren der vibrierenden mikromechanischen Resonatoren in einem kleinen Gerät, das als Hohlraumresonator bezeichnet wird. Hier werden die Resonatoren mittels eines supraleitenden Mikrowellenschaltkreises in einen verschränkten Zustand überführt. „Wenn eine Verschränkung erreicht wird, vibrieren die mikromechanischen Resonatoren synchron, was in den Mikrowellenemissionen erkennbar ist und uns einen direkten Beweis für die erfolgreiche Verschränkung liefert“, erklärt Sillanpää.

Damit dies funktioniert, werden die Experimente bei einer Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt, nämlich bei -273 °C, durchgeführt.

Ein Quantensprung für die Technik?

Zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen investieren derzeit in die Quantentechnologie, wobei die Verschränkung einen wichtigen Bestandteil der Quanteninformationsverarbeitung ausmacht.

Mikromechanische Resonatoren könnten eine Quantenschnittstelle zwischen unserer Alltagswelt und den Festkörper-Qubit-Prozessoren von Quantencomputern bilden und eine Rechenleistung bieten, die weit über die derzeitigen Möglichkeiten hinausgeht. Tatsächlich gehörte das CAVITYQPD-Team sogar zu den ersten, die einen mikromechanischen Resonator mit einem supraleitenden Qubit – der Grundeinheit der Quanteninformation – gekoppelt haben.

Ein möglicher Weg nach vorn könnte nun darin bestehen, die Qubit-Informationen mit einem mechanischen Resonator in Photonen umzuwandeln. Dadurch wäre es möglich, Quanteninformationen unter Verwendung von Glasfasernetzen über große Entfernungen zu vernetzen. „Eine Schnittstelle, die Festkörper-Qubits mit optischen Signalen verbindet, bietet eine Reihe von Anwendungen jenseits der Quanteninformatik, darunter hochempfindliche Quantensensoren, die beispielsweise Gravitationswellen messen könnten“, sagt Sillanpää.

Das Team plant nun, sehr ehrgeizige, aber noch wenig verstandene Themen der Quantenphysik zu untersuchen, wie zum Beispiel die genaue Art des Zusammenspiels von Quantenmechanik und Gravitation sowie Einsteins allgemeine Relativitätstheorie.

„Zugegeben, das ist ein äußerst ambitioniertes Vorhaben, aber Forschung, die es wert ist, betrieben zu werden, sollte im Vorfeld auch entmutigend erscheinen“, so Sillanpää abschließend.


Video in English
https://www.youtube.com/watch?v=I6d4Ib1QKU8 

PDF Basket

Kein Artikel ausgewählt

Einzelheiten zum Projekt

Kurztitel des Projekts
CAVITYQPD
Projekt-Nr.
615755
Projektkoordinator: Finnland
Projektteilnehmer:
Finnland
Aufwand insgesamt
€ 2 004 283
EU-Beitrag
€ 2 004 283
Laufzeit
-

Siehe auch

More information about project CAVITYQPD

All success stories