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Die Erzeugung von Schaffleisch und -milch ist ein wichtiger Wirtschaftszweig Europas, was ganz besonders für Länder wie Irland, Spanien, Frankreich, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich gilt. Die europäische Schafherde mit ihren 85 Millionen Schafen in 830 000 Betrieben in der EU und zusätzlichen 33 Millionen Schafen in der Türkei ist größer als alle australischen und neuseeländischen Herden zusammen.
Und doch kann Europa selbst mit dieser großen Zahl von Schafen nur zu 85 % die Selbstversorgung mit Schaffleisch absichern. Infolgedessen ist die EU weltweit der zweitgrößte Schaffleischimporteur.
Der Grund für diese Lücke in der Selbstversorgung ist der Niedergang der Schafwirtschaft, denn seit 2000 ist die Zahl der Schafhalter in der EU um 50 % zurückgegangen. Zudem hat in den letzten zehn Jahren die Produktivität der Schafhaltung um bis zu 40 % abgenommen (je nach Land und Betriebsform).
„Dieser Rückgang lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen, aber der wichtigste ist die geringe Schafproduktivität bzw. die Anzahl der Lämmer, die pro Mutterschaf im Betrieb gehalten werden“, sagt Jean-Marc Gautier, Abteilungsleiter am Institut de l’Elevage in Frankreich.
Ungeachtet dieses negativen Trends sieht Gautier jedoch gute Chancen auf Verbesserungen in der Schafproduktivität. „Durch Verbesserung des Reproduktionserfolgs und der Überlebensfähigkeit der Lämmer können wir die Rentabilität der Betriebe und die Selbstversorgung mit Schaffleisch in Europa steigern“, sagt er.
Das EU-finanzierte Projekt SheepNet, ein Netzwerk der führenden Schaferzeugungsländer der EU und der Türkei, unterstützt die schafhaltenden Betriebe bei der Ausnutzung dieser Möglichkeiten. „In Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Interessengruppen hat das Projekt Lösungen zur Steigerung der Produktion entwickelt und ausgetauscht, ohne dass überschüssiges Schaffleisch exportiert werden musste“, fügt Gautier hinzu.
Wie die Schafhaltung attraktiver wird
Hauptziel des Projekts war, die Produktivität der Mutterschafe um 0,1 Lämmer pro Mutterschaf zu erhöhen. Dieser Wert entspricht 64 000 Tonnen Schaffleisch, die eine Netto-Selbstversorgung von 92 % zuließen. Zudem würden die Landwirtschaftsbetriebe für jedes zusätzliche 0,1 Lamm, das pro Mutterschaf verkauft wird, etwa 10 EUR mehr erhalten.
„Wir sind recht zuversichtlich, dass mit diesen Änderungen die Schafhaltung sowohl für die heutige als auch für die nächste Erzeugergeneration attraktiver werden wird“, erklärt Gautier.
Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitete das Projekt direkt mit den Landwirtschaftsbetrieben, Wissenschaftsteams und weiteren Interessengruppen zusammen. Gemeinsam wurden Lösungen und bestmögliche praktische Verfahren zur Steigerung der Mutterschafproduktivität und Herdenrentabilität gefunden.
„Diese Lösungen ließen nichts außer Acht. Sie konzentrierten sich auf das Ernährungsmanagement bei fortgeschrittener Trächtigkeit, das Kolostrummanagement, die Ursachen für Lämmersterblichkeit und -abort, die künstliche Aufzucht, die Körperkonditionsbeurteilung bei den Mutterschafen sowie auch das Schafstallmanagement“, erläutert Gautier. „Wir erstellten außerdem ein Ablammverzeichnis und eine Methode für besseres Schafbockmanagement.“
Insgesamt kamen im Rahmen des Projekts 42 Lösungen, 88 Tipps und Tricks und 22 Informationsblätter zustande. Alle Ergebnisse stehen auf der Gemeinschaftsplattform von SheepNet in sechs Sprachen zur Verfügung. Enthalten sind jeweils umfassende Informationen über die zu erwartenden Kosten und den Nutzen, die Voraussetzungen, Referenzen und aktuelles Feedback von Landwirtschaftsbetrieben.
Große Wirkung erwünscht
Mit diesen Lösungen in der Hand widmeten sich die Forschenden als Nächstes der Verbreitung. „Bei SheepNet dreht sich alles um praxisorientierte Innovation und praktischen Erfahrungsaustausch“, betont Gautier. „Mit unserem Netzwerk haben wir die Umsetzung und Verbreitung innovativer Technologien und Praktiken zur Verbesserung der Produktivität im Zusammenhang mit Schafen gefördert.“
Im Rahmen der Verbreitungsmaßnahmen wurden fünf Workshops pro Partnerland (insgesamt 35) sowie fünf transnationale Workshops und ein Abschlussseminar organisiert. Außerdem wurden 19 Pressemitteilungen, 143 Artikel, 120 Videos und 33 Infografiken erstellt sowie selbstverständlich verschiedene Plattformen in den sozialen Medien genutzt.
Gautier zufolge zeigen die Lösungen von SheepNet bereits große Wirkung. Dazu sagt er abschließend: „Wir haben deutliches Feedback von den Landwirtschaftsbetrieben bekommen. Sie teilen uns mit, wie sie unser Netzwerk und unsere Lösungen anwenden, um die Produktivität der Herden, die Arbeitseffizienz und die Rentabilität der Betriebe zu verbessern.“
Auf der Grundlage des Erfolgs dieses Projekts haben die Forschenden das Horizont 2020-Spin-off-Projekt EuroSheep ins Leben gerufen, das sich auf die Gesundheit und Ernährung von Schafen konzentriert. Gegenwärtig arbeiten sie an einer neuen Initiative zur Präzisionsviehwirtschaft.