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Eine Hand zu verlieren, ist ein gravierender Einschnitt, von dem weltweit fast 3 Millionen Menschen betroffen sind. Um die Auswirkungen des Verlustes einer Hand auf die Lebensqualität abzumildern, können Amputierte eine Armprothese nutzen. Die Nützlichkeit dieser Prothesen hängt jedoch davon ab, inwiefern sie realitätsnahe Empfindungen und Geschicklichkeit ermöglichen – und die meisten derzeit auf dem Markt befindlichen Modelle bieten weder das eine noch das andere. Viele Amputierte lehnen sie wegen der fehlenden sensorischen Rückmeldung und des kognitiven Aufwands ab, der beim Gebrauch der Prothesen erforderlich ist.
Dies könnte sich bald ändern, da im Rahmen des Projekts BIREHAB mehrere neue Instrumente zur Erfassung der neuronalen und muskulären Aktivität hochmoderner bionischer Handprothesen entwickelt wurden.
„Damit sich eine Extremität natürlich anfühlt, müssen wir sie kontrollieren können, aber auch alle Informationen von außen empfangen und verarbeiten können“, beschreibt Fiorenzo Artoni, BIREHAB-Projektkoordinator und ehemaliger Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne.
Mit dem Fokus auf natürlicher Steuerung und der Integration einer sensorischen Rückmeldung entwickelte Artoni Instrumente, mit denen bewertet werden kann, inwiefern eine Handprothese ein „natürliches“ taktiles sensorisches Feedback liefert. Diese Information kann dann dazu genutzt werden, um die Steuerung von Handprothesen zu verbessern, was Betroffenen letztlich dazu verhelfen soll, wie mit einer echten Hand zu „fühlen“.
Stimulation verstehen
Das erste Ziel des Projekts war es, die Grundlagen für den Bau einer robusten, myoelektrisch gesteuerten Prothese zu schaffen, sodass bestimmt werden kann, wie taktile Reize von den Betroffenen wahrgenommen werden. Artoni entwickelte daher einige auf Elektroenzephalographie (EEG) basierende Tests, um die elektrische Aktivität des Gehirns zu untersuchen.
Als nächstes erforschte Artoni die Fähigkeit der Prothese, auf natürliche Weise auf Reize zu reagieren. Zu diesem Zweck führte er ein Experiment durch, bei dem Menschen mit Amputationen und Menschen ohne Amputationen leichte elektrische Impulse an ihren Unterarmen erhielten. Auf diese Weise konnte er überprüfen, ob der Impuls ein Kribbeln in der Handprothese hervorrief, und anhand der beobachteten Gehirnaktivität der Versuchsperson feststellen, ob die Reaktion derjenigen ähnelte, die bei gesunden Versuchspersonen mit einer echten Hand erzeugt wurde.
„Die Ergebnisse zeigten deutliche Unterschiede zwischen Stimulationen an den Unterarmen, die nur am Unterarm zu spüren sind, und Stimulationen an den Unterarmen, die an einer Handprothese zu spüren sind“, erklärt Artoni. „Interessanterweise ähnelten die neuronalen Korrelate auffallend denen, die mit einer echten taktilen Stimulation bei Menschen ohne Amputationen erzielt wurden, indem man unter ihren Fingern Gitter entlanggleiten ließ.“
Eine bessere Methode zur Messung der Muskelaktivität
Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Eine myoelektrisch gesteuerte Prothese muss mithilfe elektrischer Signale gesteuert werden, die von den Muskeln der Amputierten auf möglichst natürliche Weise erzeugt werden. Dies erfordert jedoch die Aufzeichnung und Analyse der am Unterarm erzeugten Aktivität der verbliebenen Muskeln in Echtzeit und das Senden von Steuersignalen an die Prothese gemäß der Absicht der Person.
Die Hauptprobleme hierbei sind die langen Rüstzeiten und die Schwierigkeit, Unterarmmuskeln mit ausreichender Präzision zu lokalisieren, um die Sensoren korrekt zu platzieren. „Eine mögliche Lösung besteht darin, den gesamten Unterarm mit Sensoren zu bedecken“, beschreibt er. „Aber wie viele Sensoren sind optimal, um eine gute Decodierungsleistung zu erzielen und gleichzeitig die Komplexität der Hardware zu begrenzen?“
Um dies herauszufinden, untersuchte Artoni, wie eine unterschiedliche Anzahl von Kanälen die Qualität der Decodierung von Handgesten beeinflusste. „Auf dieser Grundlage habe ich eine Elektromyogramm-Armmanschette entwickelt, die die Aufnahme- und Rüstzeiten sowie die Notwendigkeit, jeden Muskel einzeln zu lokalisieren, drastisch reduziert“, fügt er hinzu.
Ein unglaubliches Entwicklungspotenzial
Basierend auf dem Erfolg dieser Experimente arbeitet Artoni derzeit daran, die Hardware- und Softwarelösungen von BIREHAB patentieren zu lassen. Zudem hat er 15 Artikel mitverfasst, die in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, und hat seine Arbeit auf einer Reihe von Konferenzen und Workshops präsentiert.
„Das Marie-Skłodowska-Curie-Stipendium bietet wirklich ein unglaubliches Entwicklungspotenzial und die Möglichkeit der beruflichen Entfaltung“, erklärt Artoni. „Ich habe sehr positive Rückmeldungen zu meiner Arbeit erhalten und diese Forschungserfahrung als unglaublich angenehm und erfüllend erlebt.“