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Endokrine Disruptoren wie Bisphenol A, Östrogen-Nachahmer und Flammschutzmittel begegnen uns im Alltag. Die Exposition gegenüber diesen Chemikalien wird mit gesundheitlichen Auswirkungen wie Unfruchtbarkeit, Fettleibigkeit und Krebs in Verbindung gebracht.
Herkömmlicherweise werden die potenziellen Auswirkungen von endokrinen Disruptoren in der Forschung mit 2D-Zellkulturen und Tiermodellen untersucht. Ersteres ist jedoch nicht präzise genug, wohingegen letzteres im Rahmen des Engagements der Kommission für Tierwohl letztlich schrittweise in der gesamten EU abgeschafft werden soll.
Das Projekt SCREENED bietet eine einzige Lösung für beide Probleme. Unter der Leitung von Lorenzo Moroni, Direktor des MERLN Institute for Technology-Inspired Regenerative Medicine in den Niederlanden, entwickelte das Projektteam innovative 3D-Zellassays, die eine menschliche Schilddrüse nachbilden.
Organchip
Das Projekt zielte darauf ab, die Grenzen herkömmlicher 2D-Zellkulturen und Tiermodelle zu überwinden, insbesondere im Hinblick auf Sensitivität und Spezifität. Laut Moroni „basieren die meisten Tests zum Screening von Wirkungen endokriner Disruptoren auf die Schilddrüse immer noch auf 2D-Zellkulturmodellen“. Dabei werden häufig Zelllinien kranker Herkunft verwendet, da sie ein Modell darstellen, das dem pathologischen Zustand der Schilddrüse sehr ähnlich ist. Allerdings, so Moroni, „bieten sie auch eine begrenzte Spezifität und Sensitivität, wenn sie für Tests zu endokrinen Disruptoren verwendet werden“.
Das SCREENED-Team hat diese Einschränkungen durch die Entwicklung von drei verschiedenen 3D-Schilddrüsenmodellen überwunden. Das erste Modell, das vom Team von Sabine Costagliola an der Freien Universität Brüssel in Belgien entwickelt wurde, besteht aus miniaturisierten, vereinfachten Schilddrüsen, sogenannten Organoiden, die aus menschlichen Stammzellen gewonnen werden. Diese replizieren die Funktion der Schilddrüsenhormonproduktion der natürlichen Schilddrüsen. „Wir waren in der Lage, zum ersten Mal ein aus menschlichen Stammzellen abgeleitetes Schilddrüsenfollikelmodell zu schaffen“, sagt Moroni. Diese Organoide sind in einem mikrofluidischen Zellkulturgerät untergebracht, wodurch ein „Organchip"-Modell entsteht, das die natürliche Umgebung der Schilddrüsenzellen nachahmt.
Beim zweiten Modell, das von der Universität Parma in Italien entwickelt wurde, werden speziell präparierte Gewebegerüste verwendet, die dem natürlichen Aufbau der Schilddrüse sehr nahe kommen und eine verbesserte Struktur und Funktion aufweisen. Das dritte Modell schließlich besteht aus 3D-gedruckten Strukturen, die die Form und den Aufbau der Schilddrüse nachbilden, einschließlich eines Netzwerks von Blutgefäßen, die sie unterstützen. Diese Modelle sind in einem modularen Mikrobioreaktor untergebracht, der mit innovativer Sensortechnologie zur präzisen Steuerung der Zellkulturbedingungen ausgestattet ist.
Erforschung endokriner Disruptoren
Die innovativen Ansätze von SCREENED sind auch nicht auf diese komplexen 3D-Strukturen beschränkt. Das Projekt hat zudem zu einem neuen und besseren Verständnis der biologischen Marker endokriner Disruptoren geführt und damit enthüllt, wie diese Chemikalien die Schilddrüsenfunktion beeinflussen. „Unsere Innovation steht auf mehreren Säulen“, so Moroni. „Diese neuen zellulären Modelle wurden in einem 3D-Chip oder in einem biologisch gedruckten Konstrukt gezüchtet, die beide eine höhere Sensitivität gegenüber den untersuchten endokrinen Disruptoren aufweisen.“
Die potenziellen Auswirkungen der SCREENED-Forschung sind tiefgreifend. Das Projekt könnte durch die Bereitstellung hochwertiger Testumgebungen den Nachweis von Chemikalien mit endokrinen Wirkungen in einem viel früheren Stadium der Exposition ermöglichen als bisher. „Die von uns nachgewiesene höhere Spezifität und Sensitivität für endokrine Disruptoren könnte eine hochwertige Testumgebung für das Screening auf mutmaßliche Auswirkungen von endokrinen Disruptoren bei niedrigeren Dosen darstellen“, so Moroni.
Darüber hinaus könnte die Einführung dieser fortschrittlichen 3D-Assays die Abhängigkeit von Tierversuchen verringern, was mit ethischen Erwägungen und regulatorischen Trends hin zu humaneren Forschungsmethoden in Einklang steht. Dieser Ansatz hilft zu verstehen, wie die Exposition gegenüber bestimmten Substanzen zu negativen Auswirkungen auf die Entwicklung und Funktion der Schilddrüse führen kann. Durch den Einsatz fortschrittlicher Techniken zur Untersuchung von Proteinen und Genen sowie von Computermodellen können Forschende die Schritte von der anfänglichen Exposition bis zu den endgültigen gesundheitlichen Auswirkungen nachvollziehen. Diese Methode unterstützt die Idee, den gesamten Prozess abzubilden, um schädliche Folgen besser vorhersagen und verhindern zu können.
Für die Zukunft haben Moroni und sein Team Pläne, ihre Forschung weiter voranzutreiben. Obwohl die Finanzierung noch nicht gesichert ist, bleibt das SCREENED-Team optimistisch, was die künftigen Möglichkeiten zur Fortsetzung seiner bahnbrechenden Arbeit angeht.